Schmerzen beim Hund

Schmerzen beim Hund erkennen und verstehen: Der Weg zur Hundefitness.


Schmerzmanagement beim Hunde

Chronische Schmerzen

Hunde leiden oft unbemerkt unter chronischen Schmerzen, da sie selten wehleidig wirken. Besonders Hunde aus Arbeits- und Hüte­zucht­linien verbergen Schmerzen, um ihre Aufgaben nicht zu verfehlen. Ein Herdenschutzhund zum Beispiel, der beim kleinsten Rempler theatralisch zu Boden geht, wäre als Arbeitshund unge­eignet. Doch wie erkennt man Schmerzen beim Hund, wenn sie sie instinktiv verbergen?

Skizze Schmerzgesicht - Schmerzen beim Hund


 

Was sind chronische Schmerzen und wozu dienen sie?

Bei akuten Verletzungen wie Schnitt­wunden, Prellungen oder Bisswunden lösen Rezeptoren im Gewebe ein "Gewitter" von Signalen aus, das dem Zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) eine Gewebe­veränderung meldet. Dort filtert das Nervensystem die Informationen und erkennt sie gegebenen­falls als relevanten Gewebeschaden, den es mit Schmerz assoziiert. Dieser Schmerz schützt die verletzte Region, indem er weitere Schäden durch Entlastung verhindert und Heilungsprozesse auf zellulärer Ebene einleitet.

Wiederholte Schmerzempfindungen an derselben Stelle sensibilisieren das Zentrale Nervensystem des Hundes für die betroffene Region. Um erneute Schäden zu vermeiden, antizipiert das Nervensystem den Schmerz. Bewegungen, die den Gewebeschaden vergrößern oder die Heilung beein­trächtigen könnten, lösen vorsorglich Schmerz aus, noch bevor eine tatsächliche Über­lastung oder Schädigung eintritt. Diesen Schutz­mechanismus nennt man Schmerzgedächtnis. Nicht nur der genaue Schmerzursprung wird sensibilisiert, auch ähnliche Bewegungen können dieselbe Schmerzreaktion hervor­rufen, sodass ein ganzes Areal zum Schmerzauslöser wird. Man spricht dann von "ausstrahlenden" Schmerzen. Diese Prozesse der Schmerzchronifizierung können auftreten, obwohl der Schutz­mechanismus nicht mehr nötig ist. Stress, fehlende Erholung, übermäßige Fokussierung und Schonhaltung können chronische Schmerzen fördern.

Warum ist es wichtig, die Schmerzen meines Hundes frühzeitig zu erkennen?

Das frühzeitige Erkennen von Schmerzen und die richtigen physiologischen Maß­nahmen könnten Ihrem Hund und Ihnen viel Leid und lang­fristig viel Zeit und Geld ersparen.

Die Möglichkeiten des Schmerzmanagement sind für einen Hund äußerst begrenzt und er ist daher auf den wohl­wollenden und auf­merksamen Besitzer angewiesen, der früh­zeitig erkennen muss, dass es dem Hund nicht gut geht, auch wenn der Hund seine Schmerzen verbirgt und möglichst für sich behält.

Es ist jedoch wichtig, Schmerzen beim Hund früh­zeitig zu erkennen, damit auch der Hund von einem erfolg­reichen Schmerzmanagement profitieren kann, bevor der Schmerz chronisch wird und sich durch Entlastung der schmerzenden Strukturen "Fehlhaltungen" manifestieren, die zu Über­lastung und echtem Verschleiß führen können. Kommt es zu einen Verschleiß durch die schon­haltungs­bedingte Über­lastung stark beanspruchter Strukturen, kann dies besonders tragisch sein, da der ursprüng­liche Auslöser der chronischen Schmerzen gegebenen­falls gar nicht mehr problematisch ist und die Regenerations­fähigkeit Ihres Hundes den eigent­lichen Schmerzauslöser längst wieder im Griff hat. Häufig werden Hunde erst in diesem Stadium auffällig, wenn sie an fort­geschrittenen degenerativen (verschleiß­bedingten) Erkrankungen wie HD, ED, Bandscheiben­erkrankungen, Spondylose etc. leiden.

Nicht jede chronische Schmerz­symptomatik ist ein Anzeichen für eine Erkrankung!  Eine Schmerzsymptomatik beginnt als Warn­signal und muss nicht zwingend mit dem Auf­treten einer degenerativen Erkrankung wie Hüft- oder Ellenbogendysplasie (HD, ED), Bandscheibenvorfall (Diskopathie) etc. einher gehen. In den meisten Fällen jedoch folgt auf eine chronische Schmerz­symptomatik eine degenerative Erkrankung, wenn die Schmerzen und der Schmerzauslöser nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Woran kann ich die Schmerzen meines Hundes erkennen?

Hinweise im Verhalten,
die auf eine Schmerz­symptomatik hin­deuten können:

  • Bewegungsunlust: "Er bleibt einfach stehen und will nach Hause", "Couch-Potato", "Früher stand er sofort an der Tür, wenn er die Schlüssel rascheln hörte."
  • kein Spielverhalten: "Früher hat er aus­gelassen gespielt, jetzt ist er ruhiger/reifer geworden." "Auf der Hunde­wiese liegt/sitzt er nur noch abseits und interessiert sich nicht mehr für die tobenden Hunde."
  • Vermeidung von Hunde­begegnungen: "Irgend­wann hat er sich angewöhnt, an der Leine zu pöbeln."
  • Rückzug / Desinteresse: "Früher war er immer mitten­drin statt nur dabei, jetzt zieht er sich zurück, wenn es ihm zu viel wird und lässt niemanden an sich heran."
  • Aggressions­verhalten: "Er hat einfach zugeschnappt, als ein junger Hund auf ihn zugebrettert ist, das hat er noch nie gemacht!"
  • Verhaltensänderung: "Früher sprang er in freudiger Erwartung ins Auto, jetzt mag er Auto­fahren nicht mehr", "Er kommt gar nicht mehr zu mir ins Arbeits­zimmer im 1. Stock", "Wenn ich das Futter aus dem Keller hole, wartet er jetzt oben auf dem Treppenabsatz."

Hinweise in Bewegungsmustern,
die auf chronische Schmerzen hindeuten, sind oft erst dann eindeutig erkennbar, wenn über die Schmerzen hinaus bereits funktionelle Ein­schränkungen eingetreten sind:

  • Lahmheit: "Kurz nach dem Aufstehen humpelt er, aber das legt sich schnell wieder." "Neulich lahmte er hinten, jetzt vorne, aber an den Pfoten war nichts zu finden."
  • bevorzugte Körperhaltung: "Er schläft nur noch zusammen­gerollt auf einem bestimmten Platz." "In letzter Zeit sitzt er wieder ausge­streckt, wie ein Welpe (Welpensitz)."
  • Lecken und Knabbern: "Er hat wunde Stellen am Beim und hört nicht auf, daran zu lecken." "Das Fell ist an einer Stelle rotbraun verfärbt (bei hellen Hunden)." "Er hat kahle Stellen an den Beinen."
  • Asymmetrische Körperhaltung: "Er hat jetzt zur einer Seite hin einen ausladenden Hüftschwung." 
  • Unrhythmische Bewegungsabläufe: "Beim Auftreten wippt er neuerdings mit dem Kopf." "Beim Gehen und Traben bewegt er sich unharmonischer/hektischer als zuvor."

Hinweise im Erscheinungsbild,
die auf Schmerzen hin­deuten können:

  • Fellverwirbelungen und Wellen: "Seit kurzem hat er Wellen im Rückenfell, vorher war das Fell glatt."
  • Spannungs-Falten auf Kopf und Stirn: "Er schaut mich immer so skeptisch, fragend an." "Das eine Ohr hält er jetzt immer etwas schief."
  • Mandelförmige zusammengekniffe Augen: "Ich glaube er sieht nicht mehr richtig, weil er die Augen immer zusammenkneift." "Seit kurzem hat er Ringe unter den Augen."
  • Große Pupillen: "Sein Blick wirkt als sei er auf Drogen."
  • Knöcherne Gesichtszüge: "Er sieht so abgemagert und alt aus."

Reaktionen auf Berührung und direkten körperlichen Kontakt, können ganz unter­schiedlich ausfallen. Akute Schmerzen sind in aller Regel mit Stress anzeigenden Ausdrucksverhalten assoziiert. Bei chronischen Schmerzen und einer vorsichtig tastenden Berührung ist anfänglich häufig ein aus­weichendes Verhalten ein prüfender Blick oder ein kurzes Zusammen­zucken zu beobachten. Hat der Hund dies­bezüglich schlechte Erfahrungen gemacht kann er auch Droh­verhalten oder sogar aggressives Verhalten zeigen, um sich wort­wörtlich den Berührungs­kontakt vom Laibe zu halten.